Installation und Performance in der Ausstellung „Subversives Design“ im NRW-Forum Düsseldorf vom 10.02. bis 22.05.2022
Kuratiert von Alain Bieber und Judith Winterhager
Installationsansicht der Arbeiten „Krabbelanzüge“ (2019), „Brustsack“ (2019) und „Bethandschuh“(2020). Die Ausstellung subversives Design vereint die Positionen von Künstler*innen, welche an der Schnittstelle zwischen Design und Kunst arbeiten.
Materialien: Hightech-Stoffe, Gurte, Bänder, Kleiderbügel, Filz, Polyurethan, eine handgebundene Edition, Schnur, handgeprägte Hangtags
Größe: variabel
Die interaktive Arbeit „Krabbelanzüge“ ist das gemeinsame Werk von Liora Epstein und dem Künstler Hagen Keller. Das Projekt umfasst zwei maßgefertigte Anzüge, die speziell für die Körper der beiden Künstler konzipiert wurden. Gefertigt aus den hochfunktionalen Textilien der Firma Schoeller, erfüllen die Anzüge höchste Ansprüche: Sie sind wind- und wasserdicht, schmutzabweisend, pflegeleicht, robust, witterungsbeständig, atmungsaktiv und wärmeisolierend. Ihr Design dient einem speziellen Zweck: dem Krabbeln. Während einige Bereiche des Anzugs die Bewegungsfreiheit einschränken, ermöglichen spezielle Stretch-Einsätze an anderen Stellen mehr Flexibilität. Die Anzüge entfalten ihre korrekte Form ausschließlich in der Krabbelposition. Die integrierten Handschuhe sind so gestaltet, dass sie die Hände in eine Faustposition zwingen, unterstützt durch Filz-Pads auf den Handrücken. Sobald der Ganzkörperanzug angelegt ist, werden die Sohlen angezogen, die von den Knien bis zu den Zehenspitzen reichen und an den Waden fixiert werden, wodurch das aufrechte Gehen unmöglich wird. Diese funktionale Bekleidung aus Hightech-Materialien soll den Menschen der Natur näher bringen und ein angenehmes Erlebnis in ihr ermöglichen – ähnlich wie ein Schneeanzug es erlaubt, sich dem Schnee zu nähern, bringt der „Krabbelanzug“ den Träger dem Boden näher. Die Trägerinnen und Träger der Anzüge gewinnen durch das Material und die Konstruktion die Fähigkeit, stundenlang zu krabbeln. Das Opfern der Möglichkeit, Hände und Füße in gewohnter Weise zu nutzen, wird durch den Gewinn neuer Erfahrungen ausgeglichen: eine veränderte Blickhöhe, entschleunigte Bewegung und Schutz durch die Tarnung und hochwertige Ausrüstung der Materialien. Abseits des hektischen Alltags bietet das Krabbeln auch eine Form des geistigen Schutzes. Die Fortbewegung in diesen Anzügen wirkt mechanisch und zugleich tierisch. Die Fiktion der Künstlerin, sich auf neue Weise in der Natur zu bewegen und sich der Gesellschaft zu nähern, wird durch das Krabbeln Wirklichkeit. Die Untersuchung, wie sich das Krabbeln auf die Physiognomie und Psyche der Trägerinnen und Träger auswirkt, ist Teil des Projekts. Auch die Reaktionen der Gesellschaft auf das Erscheinen eines krabbelnden Menschen werden erforscht. Die Erfahrungen zeigen, dass sich durch diese ungewöhnliche Art der Fortbewegung ein neuer Raum der Wahrnehmung öffnet und somit neue Formen der Begegnung entstehen.
Der „Bethandschuh“ ist ein spezieller Handschuh, welche für das komfortable Beten entwickelt wurden. Beten-to-go ist mit ihm möglich gemacht worden. Innere Regungen können an eine Gottheit oder Sache gerichtet werden, man kann sich komfortabel Zentrieren, Fokussieren und Meditieren oder einfach Buße tun. Absolut institutions- und religionsunabhängig und ebenso unabhängig von Ort und Zeit. Gleichzeitig ist er in seinem futuristischen und sportlichen Design absolut modisch. Das Konzept Beten-to-go: Ein vollfunktionsfähiger modischer Bethandschuh aus Hightechstoffen.
Erste veröffentlichte Buchausgabe aus dem Buch Tagebuch der bösen Taten (2018-n.d.)
Installation während des Rundgangs der Kunstakademie Düsseldorf, 2022
Materialien: Plexiglas, Schnur, Metall, Nähmaschinenlampe, Baumwollhandschuhe, Faden, Papier
Format der Buchausgabe: 155 x 261 mm
Das „Tagebuch der bösen Taten“ ist ein prozessorientiertes Werk, das (Stand Januar 2024) bis auf 359 Seiten angewachsen ist. Konzeptuell ist es ein Schriftstück eines autofiktiven Charakters, in dem dieser über seine sowohl realen als auch bloß imaginierten bösen Taten schreibt. Die Einträge werden durch theoretische Betrachtungen und spekulative Überlegungen ergänzt und reflektieren durch ein Netz an Bezügen zu religiösen und philosophischen Themen auf die moralischen, aber auch psychologischen Dimensionen der Klassifizierung einer Handlung als „böse“.
Die erste gedruckte Edition mit dem Titel „fein selektierte böse Taten I“ veröffentlicht eine Auswahl des umfangreiche Schriftstücks. Die Emotionen und Imaginationen des Protagonisten zu seinen Taten werden in der Verbindung von Inhalt, Typografie und grafischer Gestaltung zusätzlich in ihrem Ausdruck angereichert. Die Erstausgabe des Buches ist auf 40 Exemplare limitiert, die alle handgebunden und handgeprägt sind.
Das künstlerische Konzept findet nicht nur in schriftlicher Form Ausdruck, sondern auch in Video-Performances, die von 2020 bis in die Gegenwart reichen. Die Bedeutung des Projekts wurde im Februar 2022 anerkannt, als der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen sowie die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf das Werk mit einem Reisestipendium ehrten, welches unter dem Link https://kunstverein-duesseldorf.de/stipendien/reise-stipendium-2022/ eingesehen werden kann.
Bild 1 Performance im „Krabbelanzug“ zur Ausstellung „Subversives Design“, 2022
Bild 2 Installationsansicht „humility“ zur Ausstellung „Subversives Design“, 2022
Fotos von Katja Illner
Bild 3 Performance im „Krabbelanzug“ zur Ausstellung „Subversives Design“, 2022
Fotos von Anne Orthen
Bild 4,6 Installationsansicht „Krabbelanzüge“, 2020
Fotos von Stephan Eichler
Bild 5,7,8 Detailansichten „Brustsack“ und „Krabbelanzüge“, 2020
Fotos von Liora Epstein
Bild 9,13 Performance im „Krabbelanzug“ zur Ausstellung „Kunstakademie Düsseldorf @ McKinsey & Company#7“, 2019
Fotos von Andrea Marcellier
Bild 10-12 Performance im Krabbelanzug, 2019
Fotos von Florian Bittner
Bild 14 Installationsansicht „Bethandschuh“, 2022
Foto von Sebastian Jung (© Museum Express)
Bild 15 Installationsansicht „Bethandschuh“ zur Ausstellung „Subversives Design“, 2022
Foto von Liora Epstein
Bild 16-18 Installationsansicht „fein selektierte böse Taten I“, 2022
Fotos von Ronja Greiner
© VG Bild-Kunst, Bonn